Die Baukunst im alten China
Ob es sich um die Planung von Städten, Palästen oder Privathäusern handelte, alle Architekten beherzigten drei Grundvoraussetzungen: Der Bau musste sich erstens in seine natürliche Umgebung einfügen, zweitens von einer Mauer umgeben sein und drittens präzise symmetrisch an der Nord-Süd-Achse ausgerichtet sein. All diese Prinzipien gehen auf eine lange Tradition zurück. Da in alter Zeit der Himmel als rund, die Erde aber als quadratisch angesehen wurde, mussten Städte, Palastanlagen, Tempelbezirke und private Wohnstätten meistens im Quadrat und von Norden nach Süden angelegt werden. Die Hauptgebäude standen stets im Zentrum der Anlagen, sie wären, wenn es sich um mehrere wichtige Häuser handelte, hintereinander auf der Hauptachse errichtet.
Schon die frühen Siedlungen waren von Wällen oder Zäunen umzogen. Diese Schutzwälle sind quasi Erkennungszeichen chinesischer Städte, denn auch in sicheren Zeiten wurden alle Siedlungen – auch die kleinsten Dörfer – mit Mauern umgeben. Die frühere Hauptstadt, Zhengzhou, war rechtwinklig angelegt und umfasste ein Areal von rund drei Quadratkilometern. Diese politische und religiöse Zentrum wurde von einer aus festgestampften Lehm aufgeschichteten Mauer umschlossen, innerhalb der die Aristokratie lebte. Bauern und Handwerker wohnten vor den Toren.
Es lassen sich einige Grundmerkmale für alle offiziellen Bauten, wie etwa kaiserliche Paläste und Tempel, aufführen: Erstens ist jedes Gebäude auf einer steinernen oder zumindest ummauerten Terasse errichtet, zweitens bestehen die Bauwerke aus Holz und drittens schwingen die Dächer an den Ecken aus. Paläste, Tempel und Wohnhäuser der höheren Gesellschaftsschichten wurden fast alle nach demselben Schema angelegt. In den ummauerten Bezirk trat man durch ein Tor mit Flügeltüren. Den direkten Zugang zum Innenhof versperrte eine sogenannte Geisterwand (Yingbi), um die man gleich hinter dem Eingang herumgehen musste. Den Innenhof begrenzte nach Norden hin das Hauptgebäude. Hier konnte es sich um den Thronsaal, den Schrein oder auch die Empfangshalle des Hauses handeln. Hinter diesem Hauptgebäude öffnete sich ein zweiter Innenhof, an dessen Ende die kaiserlichen Privatgemächer, im Tempel die Bibliothek oder ein weniger bedeutender Schrein und in einer privaten Anlage die Räume des Hausherrn lagen. Der erste Innenhof wurde an den Seiten von Wirtschaftsgebäuden, der zweite von Wohnräumen der Familienangehörigen eingeschlossen.
Ähnlich wie bei europäischen Fachwerkbauten tragen auch bei den chinesischen Gebäuden nicht die Mauern, sondern vier Eckpfeiler, die meist aus Holz bestanden das Haus. Durch die Aneinanderreihung mehrerer Joche- der durch vier Pfeiler gebildeten Räume – konnten die Chinesen die für sie typischen Langhäuser schaffen. Ein solches Langhaus steht immer quer zur Nord-Süd-Achse. Während bei privaten Wohnhäusern die Länge eines Querbalkens für die Tiefe des Raumes ausreichte, zog man bei größeren, für Zeremonien benutzten Hallen Stützpfeiler ein.
Die bedeutenden Bauten, seien es nun kaiserliche Anlagen oder Tempel, tragen an ihren Firsten symbolische Figuren. Dabei handelt es sich um Fabelwesen, wie zum Beispiel einen Drachen, der Schutz gegen Feuer bieten soll. Bei einfacheren Gebäuden dient der Fisch, dessen Element das feuerlöschende Wasser ist, als schützendes Symboltier. Die auf den ausschwingenden Dachspitzen hockenden Figuren kommen aus der alten Naturreligion und sollen die bösen Geister fernhalten.
Für die buddhistischen, daoistischen und konfuzianischen Tempel gelten – architektonisch gesehen – die gleichen Prinzipien wie bei den offiziellen Bauten: Ummauerung, Ausrichtung nach der Nord-Süd-Achse, Holzbauweise auf Terrassensockeln. Allerdings unterscheiden sie sich in ihrer Anlage.
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